Donnerstag, 8. März 2012

Die Tage der toten Ratte

Kurzgeschichte
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Die Tage der toten Ratte
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ich wohne in einem symphatisch frischen Stadtviertel. Meine Wohnung liegt Parterre, der Eingang ist über einen Innenhof zu erreichen. Hat irgendwie was von Berlin, also der Hinterhof jedenfalls. Der Hinterhof ist meine Aussicht. Man kann nicht weit gucken. Aber für das Erdgeschoss ist es echt in Ordnung. Durch das Fenster grüße ich täglich meine Nachbarn während sie ihren Müll entsorgen. Freundlich grüßen sie zurück.
Harmonie pur in der Großstadt. Anders als in Berlin. Aber nun ist Sand im Getriebe des gemeinschaftlichen Miteinanders. Ich spüre es irgendwie und verstecke mich vor den Blicken der Nachbarn und hoffe daß keiner sich wegen der toten Ratte im Mülleimer erschreckt.
Au. Backe.
Was hätte ich den mit dem toten Vieh machen sollen ?
Zum Beerdigen fehlte mir die persönliche Bindung. Ich hab die Ratte ja schließlich nicht gekannt. Sondern nur gefunden. Im meinem Keller.
Konnte das Vieh nicht einen Keller weiter krepieren ?
Vermutlich hat sie die Engelstompete, die im Keller überwintert angeknabbert. Sie ist jedenfalls direkt neben der Pflanze liegen geblieben.Noch mal schnell an der Engelstrompete geknabbert bevor die Ratten-Engel ihren Dienst antreten mussten.
Mist. Eine richtig große Ratte.
Ich kenne Ratten. Hausratten wie freilebende Bachratten. Als Kind haben wir mal eine Ratte gefangen. Wir haben damals an einem Bach gewohnt. In den 70 ern. Oh. Die Zeiten ändern sich. Heute ist der Bach im Normalfall 10-20 cm hoch. Damals war er doppelt so hoch. In den Zeiten wo Klärwerke noch das „neue Ding der Zukunft war“. Damals als der Bach sich noch rot - blutrot- färbte jeden Dienstag. Dienstag war Schlachttag der anssässigen Metzger. So ein Bach war das. Klar, das dort Ratten waren. Und wir Kinder hatten natürlich nichts besseres zu tun als primitive Fallen zu bauen. Ein Eimer, ein Stück Holz und eine Scheibe Schinken. Die Bachratte ist wohl eins der dümmeren Nagetiere. Naja auf jeden Fall. Ich habe in meinem Leben allerhand lebende Ratten gesehen. Aber selbst wenn ich bedenke, daß die Ratten von damals mir als kleines Kind groß vorkamen, so waren sie doch nicht so groß wie die tote Ratte in meinem Keller.
Ein richtig schweres Teil.
Ich hab sie nicht angefasst. Nein. Ich muss nicht mit dem Tod in Berührung kommen. 2 Blumentöpfe als Werzeug haben gereicht. ein Blumentopf als Besen, einer als Schaufel und schon war die Ratte eingetopft.
Man war die Ratte groß.
Der Schwanz guckte oben aus dem Blumentopf hervor.
Au.Backe.
Wie so oft dachte ich nur „wenn Dich jetzt wieder einer sieht..:“
das passiert mir meistens und eigentlich habe ich schon eine souveräne Schlagfertigkeit für peinliche Momente im Blut, aber trotzdem merke ich das Pochen des Herzens in der Halsschlagader.
Die 3 Restmülltonnen sind fast alle voll.
Der Rattenschwanz wibbelt unangenehm vor meiner Nase.
„Doch vielleicht Bio-Müll?“
Hm. Was machen die Müllabfuhren eigentlich mit dem Bio-Müll ? Hoffentlich nicht Blumenerde. Ich muss an die „Bio-Erde“ denken, die es jetzt im Baumarkt gibt.
Dann kaufe ich irgendwann Blumenerde und dann ist da ein Rattenskellet drin. Mist. Zurück zur schwarzen Tonne.
Ratte Rein. Deckel zu. Schnell in die Wohnung noch was Müll produzieren um die Ratte abzudecken. „da hätte ich sie ja auch beerdigen können“ denke ich nebenbei. Mache dann aber weiter Müll. Schnell Raus.
In welcher Tonne war jetzt noch mal die Ratte ?
Ach da wo der Schwanz rausguckt.
Gut. Die Ratte ist nun blicksicher in der schwarzen mittleren Tonne.
Ich habe noch keine schreienden Nachbarn gehört.
Kein Herzinfarkt an der Restmülltonne.
Puuh.
Bis jetzt ging alles gut.
Ich warte täglich darauf, daß der Müll endlich abgeholt wird.
Der Müllstapelt sich in den Tonnen.
Aber keiner kommt und holt den Müll ab.
In den Nachrichten sagen sie, daß verdi an der Sache schuld ist.
Mist.
Aber es hätte mir ja klar sein müssen,
daß wenn mal so was wie mit der Ratte passiert,
anschließend die Müllmänner in den Streik treten.
Die Tage werden länger.
Der Müll stapelt sich höher.
Was sind das für Zeiten,
in denen man sich auf die Müllabfuhr freut ?

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(c) Dr.Brot
in dieser Kurzgeschichte sind Elemente enthalten
die sich stark an der Realität orientieren.
Trotzdem ist es möglich, daß evtl. etwas dazu
 erfunden wurde.  

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